Eine Saga ist eine Erzählung in Prosa über die heldenhaften Kämpfe früherer Geschlechter. Was spätestens seit der Verpflichtung von Andy Bathgate (Saison 1971/72) in ganz besonderem Masse für Ambri Kulturgeschichte des ausländischen Personals gilt. Der Kanadier war damals der erste NHL-Star in unserer höchsten Liga. Die Kragenweite von Andy Bathgate haben Ambris ausländische Ausländer nicht mehr. Aber im Grundsatz gilt: Sage mir, wie es den Ausländern geht, und ich sage Dir, wie es um Ambri steht.
14 Partien hat Ambri letzte Saison in der Verlängerung oder nach Penaltys gewonnen. So viele wie kein anderes Team der Liga. Drama pur. Neunmal waren die Treffer von Dominik Kubalik entscheidend. Nun stürmt er für Zug. Es obliegt also erneut den ausländischen Stürmern, die Differenz zu machen. Idealerweise Michael Joly, nach zwei Jahren mit fast einem Punkt pro Spiel in Lugano nicht mehr erwünscht. Und natürlich auch Alex Formenton. Nach einer Saison ohne Hockey kehrt der erst 25-jährige Kanadier zurück aufs Eis und lanciert seine Karriere in Ambri neu – eine stärkere Motivation als ein Karriereneustart ist nicht denkbar, und er hat das Potenzial, um ein NHL-Stürmer zu sein. Neue und treffsichere Schweizer hat Sportchef Paolo Duca hingegen nicht gefunden.
Immerhin hat der Sportchef hinten, also beim Toreverhindern, mit Schweizern nachgerüstet: Vom SCB kommt Philip Wüthrich und nun hat Ambri mit ihm und Gilles Senn zwei helvetische Torhüter. Es ist nicht mehr erforderlich, eine dringend in der Offensive benötigte Ausländerlizenz mit einem Goalie zu blockieren – wie so oft in den letzten zwei Jahren. Somit gibt es vorne ein bisschen mehr Luft: Luca Cereda kann in jedem Spiel mindestens vier und wenn erforderlich gar fünf ausländische Stürmer einsetzen.
Auf einer Skala von 1 bis 10 Pucks.
Luca Cereda steigt in seine 9. Saison und noch niemand hat diese Mannschaft auch nur annähernd so lange trainiert. Allein dafür ist die maximale Bewertung Pflicht. Kein anderer Trainer der Neuzeit lebt Ambris Werte Tag für Tag so vor wie er. Deshalb hat er mehr als jeder seiner Vorgänger das Recht, diese Werte täglich einzufordern: Leidenschaft, Demut, Empathie, Beharrlichkeit. Kritiker monieren, er sei kein guter Taktiker. Aber das ist barer Unsinn: Er hatte noch nie die Mannschaft, die gut genug war, um Schablonenhockey zu spielen. Und wie will Ambri die Herzen und Seelen seiner Fans mit defensivem Beton-Hockey erwärmen? Na also. Fehlendes Talent und das Temperament seines Publikums zwingen den Trainer dazu, Abend für Abend Vollgashockey zu zelebrieren und den Mängeln davonzulaufen. Eigentlich müsste Luca Cereda unentlassbar sein. Aber auch er ist es nicht: In Ambri gibt es für keinen Trainer eine Arbeitsplatz-Garantie.
Ambri hat mit Philip Wüthrich und Gilles Senn mindestens für die nächsten zwei Jahre zwei Goalies mit Schweizer Pass und Nationalmannschafts-Erfahrung, die an jedem Abend Siege zu stehlen und die Last einer Nummer 1 zu tragen vermögen. Somit können alle Ausländer-Lizenzen für Feldspieler eingelöst werden. Ein Vorteil, der für ein Team, das so von seinem ausländischen Personal abhängig ist, nicht hoch genug bewertet werden kann.
158 Gegentreffer sind zu viel. Nur Ajoie und Lugano kassierten letzte Saison noch mehr Tore. Ein sicheres Erreichen des Play-Ins ist nur möglich, wenn Ambri weniger als 140 Gegentreffer zulässt. Verstärkungen mit Schweizer Pass gibt es keine. Alles – und eigentlich fast zu viel – hängt erneut von den beiden Marathon-Verteidigern Jesse Virtanen und Tim Heed ab, die letzte Saison beide über 24 Minuten Eiszeit geschultert haben und sich auch in der neuen Saison nicht schonen können. Je besser das einheimische defensive Hilfspersonal mit den Vorarbeitern Dario Wüthrich und Jesse Zgraggen, desto besser für Ambris Stabilität.
Mit 146 Toren markierte Ambri als offensive Nummer 6 der Liga nur einen Treffer weniger als Davos. Von allen Teams der unteren Tabellenhälfte war Ambri offensiv mit Abstand am erfolgreichsten und hat mit sechs ausländischen Stürmern alle Voraussetzungen, es wieder zu sein. Diese Flucht nach vorne entspricht der DNA der Klubkultur und ist mit ein Grund für die enorme Popularität: Wenn Ambri kommt, ist immer etwas los. Dass kein anderes Team in der Überzeit (Verlängerung, Penaltys) letzte Saison so erfolgreich war (14 Siege) hängt mit dieser Spielweise zusammen: Mag sein, dass ein Vorsprung nicht über die Zeit gerettet werden kann. Aber in der Verlängerung wird die Entscheidung doch erzwungen.
Das offensive Glück ist traditionell abhängig von der Qualität der ausländischen Stürmer. Einen neuen Dominik Kubalik hat Sportchef Paolo Duca nicht gefunden. Aber in der Summe ist die Feuerkraft des offensiven ausländischen Personals nach der Verpflichtung von Alex Formenton mindestens gleich gross. Der Kanadier kehrt nach einjähriger Pause ins Profihockey zurück und er wird bis zum Ablauf des Vertrages im Dezember seine Form finden und Ambri dürfte die Option zur Verlängerung bis Ende Saison einlösen. Ambri kann offensiv rocken wie seit den Zeiten des Finalruhmes Ende des letzten Jahrhunderts nie mehr.
Denn auch der streitbare Leitwolf Chris DiDomenico ist ja geblieben. Dank seines stürmischen Offensivstils ist Ambri das unterhaltsamste Team der unteren Tabellenhälfte, und die Fans wissen das zu schätzen. Noch nie in seiner Geschichte hat Ambri mehr Saisontickets verkauft (mehr als 5500).
Warum eine so tiefe Bewertung? Nun, Sportdirektor Paolo Duca verdient die Maximalnote. Und eigentlich auch Präsident Filippo Lombardi. Er hat die Philosophie des einheimischen Schaffens mit einem Sportdirektor und einem Trainer aus den eigenen Reihen 2017 umgesetzt. Noch wichtiger: Ohne ihn wäre der Bau der neuen Arena im kargen Hochtal nicht möglich gewesen. Ein Bauwerk, das einem fremden Besucher ähnlich atemlose Bewunderung entlockt wie Machu Picchu, die wehrhafte Stadt der Inka auf fast 2500 Metern Höhe in den südamerikanischen Anden. Aber mit dem Bau der Arena hat der streitbare Vorsitzende erst die Hälfte seiner Mission erfüllt: Die erste Hälfte war ein diplomatisches Meisterstück: Er brachte namhafte Banken dazu, sein Machu Picchu des Eishockeys hoch oben in den Bergen zu finanzieren. Sein Werk ist erst vollbracht, wenn er nun die gleichen Banken dazu bringt, diese Kredite weitgehend abzuschreiben und Ambri die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zurückzugeben. Dann erst gibt es die Maximalnote.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
War es je so schwierig, Mannschaften einzuschätzen wie vor der Saison 2025/26? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass es mindestens eine Überraschungs-Mannschaft und einen strauchelnden Titanen geben wird. Aber wer wird positiv überraschen? Langnau? Ambri? Ajoie? Und wer gerät in den Strudel einer Krise? Erneut der Servette? Aber vielleicht helfen ja unsere Noten bei der Einschätzung.
Statistiken sagen viel. Aber alle haben sie. Gibt es mehr als nur diese allgemein zugänglichen Zahlen? Ja. Eine Bewertung jedes einzelnen Spielers. Deshalb benoten wir jeden unserer Helden des rutschigen, eisigen Spielfeldes. Wir polemisieren damit sozusagen nach Noten. Aber leicht machen wir uns die Sache nicht. Unsere Noten basieren bei Weitem nicht nur auf unserem unzulänglichen Urteilsvermögen. Wir folgen auch den Einschätzungen der wahren Kenner, der Trainer, Sportchefs, NHL-Scouts. Und ein Problem können wir nicht lösen: Alle Beurteilungen basieren auf den Leistungen in der Vergangenheit. Was einer in Zukunft leisten wird, bleibt reine Spekulation.
Wenn wir wissen wollen, wie gut eine Mannschaft ist bzw. sein wird, können wir einfach den Noten-Durchschnitt ausrechnen. Oder? Aber so einfach ist es leider nicht. Ob aus hochkarätigen Spielern mit hohen Noten tatsächlich eine starke Mannschaft wird, ist nämlich höchst ungewiss. Es ist keineswegs sicher, dass eine Mannschaft tatsächlich so gut spielt, wie sie es aufgrund der Bewertung der einzelnen Spieler eigentlich müsste. Das zeigt auch, welche Gestaltungskraft gute Trainer haben. Sie können mehr aus einem Team herausholen, als unsere Noten vermuten lassen. Unsere Noten sagen letztlich noch nichts über die Mannschaft. Wer sich bei den Prognosen trotzdem auf diese Noten verlässt, ist selbst schuld.
Besser als letzte Saison? Eigentlich trotz aller offensiven Herrlichkeit wahrscheinlich nicht. Aber die Lakers, Langnau und Kloten werden möglicherweise nicht erneut alle drei vor Ambri klassiert sein. Auf dem Transfermarkt ist die helvetische Substanz bewahrt worden und in der Defensive ist die Abhängigkeit von den beiden ausländischen Verteidigern ein wenig ein Grund zur Sorge. Und sieben ausländische Spieler garantieren zwar, dass mit ziemlicher Sicherheit in jedem Spiel sechs eingesetzt werden können. Aber sie erhöhen nicht nur die Dynamik, sondern auch die Unruhe im Team und bescheren Luca Cereda noch mehr taktische Denkarbeit.